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Das Lastenrad


Heutzutage sind Lastenräder ein Lifestyleprodukt. Ihre Verkaufszahlen sind in den letzten Jahren rasant gestiegen und in immer mehr Städten prägen zwei- oder dreirädrige Lastenräder das Stadtbild. Die neuen Fahrräder werden vielfach für den Transport von Kindern eingesetzt. Aber auch die Logistikbranche setzt mehr und mehr auf emissionsfreie Zustellung per Lastenrad.
Das Lastenrad, auch Transportrad oder Cargobike genannt, kann sowohl für die Freizeit genutzt werden als auch zum professionellen Transport von Postsendungen, Waren und Gütern. Es gibt verschiedene Arten von Lastenrädern, die sich durch ihre Bauweise und durch die Anzahl der Räder unterscheiden. Viele Menschen kennen z.B. ein Bäckerfahrrad, das mit speziellen Brotkörben ausgestattet ist. Wenn die transportierten Gegenstände nicht zu schwer oder zu sperrig sind, hat ein Lastenfahrrad meist zwei Räder. Doch auch Dreiräder finden sich häufig zum Transport von Lasten, wobei einige Lastenfahrräder heutzutage wie Sattelzüge aufgebaut sind, indem sie ein Zugfahrrad mit drei Rädern haben sowie eine Anhängerkupplung, an die verschiedene Anhänger und Auflieger angehängt werden können.
Lastenräder gibt es schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. In dem 2018 veröffentlichten Buch „Cargobike Boom“ werden die drei Wellen der Lastenrad-Transportradgeschichte beschrieben. Wenn über einen Lastenrad-Boom geschrieben wird, werden Lastenräder häufig als Innovation gefeiert. Dabei wird übersehen, dass Lastenräder eine jahrzehntelange Geschichte haben und bereits Ende des 19. Jahrhunderts Vorgänger der heutigen Lastenräder eingesetzt wurden.

Geschichte des Lastenrads - Die erste Lastenrad-Welle: die „Urahnen“


Diese ersten Lastenräder wurden in den 1890er Jahren eingesetzt und bis in die 1960er, in denen die Massenmotorisierung überhandnahm, vor allem für gewerbliche Zwecke eingesetzt. Die ersten Fahrräder, wie wir sie heute kennen, waren – wie auch die weit verbreiteten Dreiräder – mit Ladeflächen ausgestattet. Diese historischen Lastenräder wurden vor allem von Handwerker, Postboten und Fahrradboten eingesetzt, etwa zum Entleeren der Briefkästen und zur Beförderung der Briefbeutel vom Bahnhof zu den Stadtpostämtern. So entstand zum Beispiel im Jahr 1894 in Amerika die Idee, Postsendungen und Warensendungen mit einem Lastenfahrrad zu transportieren, nachdem am 07. Juli 1894 in San Francisco ein Eisenbahnerstreik stattfand. Ein amerikanischer Fahrradhersteller kam auf die Idee, die bestreikte Eisenbahnstrecke in acht Bereiche einzuteilen und Post sowie Warensendungen durch Fahrradkuriere transportieren zu lassen. Der erste deutsche Fahrradkurier war wahrscheinlich der Bayer Johann Baptist Ruhdorfer aus ­Hohenlinden. Er fuhr mit einem selbst gebauten Hochrad, das 1896 entstand, jeden Tag nach München und nach Rosenheim, um Ersatzteile einzukaufen und sie auf seinem Fahrrad zu transportieren.
Bürgerliche Fahrradclubs bewarben den Einsatz des neuen Fortbewegungsmittels und sahen vor allem beim Militär ein großes Nutzungspotenzial. Fahrrad wie Lastenrad sollten in den Augen der Clubs nicht für „Jedermann“ zugänglich sein.
Doch es kam anders als von den Clubs erhofft. Die hohe Praktikabilität und sinkenden Preise für Fahrräder führten dazu, dass unglaublich viele Berufszweige Lastenräder einsetzten. So gehörten sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Fuhrpark von Barbieren, Frauen die Mittagessen ausfuhren, Kunstmaler, Imker, Lampenölhändler, Fliesenleger, Fotografen, Hebammen, Kaffeeverkäufer, Schuster. Erstaunlicherweise kam teils auch die Feuerwehr im Lastenrad geeilt, inkl. Schlauch und Helmständer.
Zu dieser Zeit wurden Lastenräder häufig von Schmieden gefertigt – eine echte Radkutsche also. Enorme Zuladungen von bis zu 400 kg waren möglich. In den 1920er Jahren entstanden zusätzlich Long Johns, also zweirädrige lange Modelle, mit einer Ladefläche zwischen der Lenksäule und dem Vorderrad. Sie sind sportlicher und haben eine Zuladung um die 100 kg. Bei einem Long John wird die Lenkbewegung mit einem Gestänge auf das Vorderrad übertragen. Long John Lastenräder sind vor allem in Skandinavien bekannt, doch auch in anderen Ländern Europas finden sie immer mehr Verbreitung.
In dieser Zeit entstand ein dritter Lastenradtyp: das Delta-Dreirad, welches die Ladefläche hinten hat und gerne als Rikscha zum Personentransport eingesetzt wird. Rikschas sind heute aus vielen asiatischen Städten nicht mehr wegzudenken.
Mit der zunehmenden Motorisierung verschwanden Fahrrad und auch Lastenräder langsam aus dem Bild europäischer Städte. Einzig mobile Eis-Verkaufsräder hielten sich noch bis in die 1980er Jahre.


Zweite Welle: Ölkrisen, Hippie Kommunen und die Wiederentdeckung


Die Wiederentdeckung des Lastenrads fand ab den 1970er Jahren statt. Diese zweite Entwicklungswelle wurde von ökologischen Motiven vorangetrieben. Um die negativen Effekte des motorisierten Verkehrs zu minimieren, machten sich Bürgerinitiativen, Verbände und Organisationen für eine Verkehrswende stark. 1979 wurde In Deutschland der ADFC (Allgemeine Deutsche Fahrrad Club) gegründet, 1983 entstand die ECF (European Cyclists Federation). Fahrradliebhaber in selbstverwaltete Fahrradwerkstätten bastelten in dieser Zeit an Lastenrädern der Marke Eigenbau.
Nach den Ölkrisen von 1973 und 1979 (und den autofreien Sonntagen) setzen einige Städte vermehrt auf das Fahrrad als alltägliches Verkehrsmittel. Dies beflügelte die Entwicklung weiter. Spannend ist, dass gerade die Ölindustrie noch eine zweite Rolle spielte. Da auf Raffineriegeländen keine motorisierten Fahrzeuge eingesetzt werden durften, wurden stattdessen Lastenräder eingesetzt.
Schließlich waren es die 80er Jahre, in denen Fahrradhersteller Lastenräder in ihr Sortiment aufnehmen, so zum Beispiel die dänische Firma SCO oder die Christiania-Schmiede, die in Dänemark 1984 entstand. Zu guter Letzt sind als Pioniere dieser Zeit noch Fahrradkuriere zu nennen. Erste Boten setzten ab den 1990er Jahren Lastenräder für ihre Zustellungen ein.


Dritte Welle: der Cargobike-Boom


Seit den 2000ern kam Dynamik in den Lastenrad-Markt. Die Räder wurden moderner und durch die Bauweise aus Aluminium auch leichter. Das Lastenrad wurde von Pionieren genutzt, die neben ökologischen und funktionalen Motiven das Rad auch als Lifestyle-Produkt oder Statussymbol ansehen.
Immer mehr neue Modelle kamen auf den Markt und viele Hersteller baten clevere Lösungen für den Kindertransport an. Außerdem kamen Rikschas als Fahrradtaxis in Großstädte. Die Delta-Dreiräder werden seit einigen Jahren von großen Logistikkonzernen nachgefragt, die in dem Fahrrad eine Lösung für schnelles und emissionsfreies Paketzustellen in Innenstädten sehen. Ab 2015 wurden Cargobikes zunehmen elektrisch angetrieben. Dies erweitert den Aktionsradius und spricht neue NutzerInnen an. Wird das Lastenrad damit nun wieder zum Massenprodukt? Die Zukunft wird es zeigen.


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Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lastenfahrrad